Wie fühlst du dich?

Ich meine, außer Hunger und Durst.

Und bitte sag jetzt nicht "Alles gut".

(aus "Emotionen sind was Tolles") 

 


 

 

Lassen

Sich auf alle guten Geister verlassen,
sich mit allen Wassern waschen lassen,
das Gelingen der Dinge beginnen,
von außen und innen zu durchdringen,


Alles, was war, gewesen sein lassen,
und was nicht gewesen war, gehen lassen,
was noch nicht ist, ungreifbar lassen,
was angreifbar ist, unangetastet lassen,

Undenkbares denkbar dehnen,
Unsichtbares dennoch sehen

Sich von Musen küssen lassen,
sich verführen und führen lassen,
singend von und zu sich zu kommen,
gehupft, gesprungen, danebenbenommen


An verloren Geglaubtes glauben,
Unvertrautem urvertrauen,
ohne Punkt und ohne Komma fühlen,
spielend allen Ernstes spielen

 

 

Zu dir

Lauf ich allein um die Welt,

dahin, wo nie jemand war,

wo alles groß ist und frei,

bist du zur gleichen Zeit da,

und alles trägt deinen Namen,

doch nichts verrät, wie es war.

Und wenn ich 10.000 Meilen

über Berge und Meere reise

und wenn ich bleibe,

wo’s dir gar nicht gefällt,

kann ich immer nur lauter

deine Stimme hören.

 

Und alle reden und sagen: geh weiter,

doch ich geh

immer nur zu dir.

 

Und weil du immer das bist,

was ich in anderen seh,

ist alles gar nicht so anders,

nur die Namen verdreht,

doch alle Farben verblassen,

wenn sie keiner mehr trägt.

Und das, was wahr ist, zerfällt,

und das, was war, ist entstellt,

seit nichts mehr steht, wo es war

doch alles aussieht wie neu,

und heute bist du seit 23 Tagen vorbei.

 

Und alle sagen mir: geh einfach weiter

doch ich geh

immer nur zu dir.

 

 

 

Undenkbares denkbar dehnen,
Unsichtbares dennoch sehen

Außer Rand und Bande knüpfen,
über Messers Schneide hüpfen,
zwischen allen Stühlen tanzen,
sich ins Leben rufen lassen,
über Tische, Bänke, Stühle tanzen,
sich ins Leben rufen lassen.

Alles geben, dann loslassen,
sich und alle anderen so lassen,
sich mit allem fallen lassen,
sich fangen und sich halten lassen

An verloren Geglaubtes glauben,
Unvertrautem urvertrauen,
ohne Punkt und Komma fühlen,
spielend allen Ernstes spielen,
ohne Punkt und Komma fühlen,
spielen und allen Ernstes lieben.

 

 

 

 


Ich fahr allein durch die Stadt,
es riecht nach Regen
und heißen Straßen,
und einer hat das Licht angelassen,
als er wegging
und sich nicht nochmal umgedreht hat
Sag, wie nah geht zu zweit?

Was kommt, wenn gar nichts mehr geht?
Alles dreht sich um das,
was doch kein anderer versteht.
Und das Meer ist noch weit,
wenn man das Land nicht mehr sieht.

Und alle sagen mir:
Geh einfach weiter,
doch ich geh
immer nur zu dir.
Immer nur zu dir.

Und jetzt fehlst du auch da,
wo ich dich nie vermisst hab.
Gerade da, wo du nicht warst,
seh ich jetzt dein Gesicht,
und alle Worte sind nicht mehr,
was sie waren ohne dich

Und jeder nach dir, der nach
ein paar Tagen noch da ist,
und der bleibt, bis ich gehe,
obwohl ich nie richtig da war,
dahin, wo ich nichts sehe,
sieht mich neben dir gehen.
Und dann sagst du:
Lass los und geh weiter.
Und ich geh.

 


Bäckereifachverkäuferinnenhände

Warum hat nur die Bäckereifachverkäuferin

ihre Hände in so Handschuhen aus Plastik drin?

Hat das einen tieferen Sinn?

 

Vermutlich wegen der Hygiene

für die Brötchen gehören jene

Plastikhandschuhe dahin,

an die Hände der Verkäuferin.

Und sind sie vielleicht auch noch dort,

wenn sie in der Nase bohrt?

 

Doch egal, Brötchenverkäuferinnenhände

tragen also gegen Einwände bezüglich der

Verkäuferinnenhändehygiene

jene Handschuhe zum Schutz der Backwaren,

die ja auch mal mit den Händen gebacken worden waren.

Wobei man sich fragt, ob der Bäcker wohl auch

zum Schutze der Brötchen so Handschuhe gebraucht...

 

Doch egal, denn bei der Hitze sind,

rein chemisch betrachtet,

 

 

 

 

nach dem Backen ja keine Keime mehr da,

und vor Keimen an den Händen der Verkäuferinnen

sollen ja, um den Satz jetzt mal zuende zu bringen,

die Handschuhe die Brötchen schützen.

 

Doch ob die Handschuhe als Schutz wohl nützen,

wenn die Verkäuferin mein Geld

mit behandschuhter Hand abzählt?

Liegt da nicht die Vermutung nahe,

geschützt wird der Schein, nicht die Backware?

 

Doch egal, denn Bäckereibrötchenverkäuferhände

haben am Ende,

ob Handschuhe oder keine,

genau die gleichen und gemeinen Keime wie meine.

 

Und wer vor lauter

Bäckereiverkäuferinnenplastikhandschuhsorge vergisst,

dass man, Hygiene hin, Nase her,

mehr Brot als Keime isst,

und wer sich von einem Lied

seinen Appetit

verderben lässt und deshalb keine Brötchen mehr holt,

ist selber dafür verantwortlich.


 

Der Masterplan vom Glück

Ich hab' zu meinem Glück einen Masterplan,
der fängt schon morgens um 6 Uhr an,
und den Rest des Tages arbeite ich dran,
dass das Glück, das vor der Tür steht, nicht entkommen kann.

Ich leb’ gesund, ich hab zwei Kinder und ’nen Mann,
damit ist der erste Schritt zum Glücklichsein getan.
Ich esse keine Tiere, meditiere und fahr Rad,
koche selber und für schlechte Zeiten hab’ ich was gespart.
Ich kaufe nicht bei Amazon,
sondern nebenan bei Gerhard,
der es schwer hat.


Denn was ich ins Universum sende, kommt zu mir zurück.
Ja, ich glaub’ daran, dass wir das ganze Leben lang
zusammen kleben, und daneben kann es andere Götter geben,
darum leb’ ich eben ganz in Harmonie und lüge nie
und tue das, was mir gefällt
und was mich glücklich macht,
laut Ratgebern, die ich auswendig kann.

Ja, ich hab zu meinem Glück einen Masterplan...

Ich hab sogar ’nen Glückscoach, der macht mir Mut.
Er heißt Louie, kann Feng Shui und verdient gut.
Mein Geist ist mit dem Körper eine Einheit,
soweit bin ich optimal zum Glücklichsein bereit.
Ich mach Yoga mit nem Mantra,
mit dem Partner mach ich Tantra
– naja, manchmal.

 

 

Lebenslügen

Wir delegieren
unser Leben an die Ratgeber der Gegenwart,
dabei verlieren
wir die Kontrolle und die Zeit, die nur ein Leben hat.

 

Wir kommunizieren
nur noch schnurlos, denn der Draht zum andern ist gekappt,
und wir transferieren
unsere Daten in die Welt, die kein Gesicht mehr hat.

 

Und nachts lieg ich wach,
muss mich verstecken, mich wecken die fetten
Lebenslügen, trügerische Ziele verführen,
ich tu und mach, jage Sachen nach im Optimierungswahn.
Wann fängt mein Leben an?

 

Komm, wir schießen Lebenslügen
auf den Mond und leben wieder.

 

Wir exmatrikulieren
und aus dem Studium unseres Seins bei jeder Schwierigkeit
und applaudieren
jedem Idol, das unverhohlen hohle Zoten reißt.

 

Wir investieren
unsere Kraft in die Beschleunigung der Lebenszeit,
und wir konsumieren,
damit der Tod in unserm Leben nicht bedrohlich erscheint.

 

 

 

 

Ich mache alles richtig, nehm das ernst, denn das ist wichtig,
mit Glück ist nicht zu spaßen, man muss wirklich wolln,
und das in kurzer Zeit, die einem bleibt, da muss man jede Stunde nutzen,
und nicht einfach untätig da sitzen.
Ich mache wirklich alles richtig,
warum bin ich immer noch nicht glücklich?
– oder wichtig?

Ja, ich hab zu meinem Glück einen Masterplan...

Ich arbeite sehr daran, mich zu entspannen,
ich stresse mich fast nie, hab' nen schwarzen Gürtel
in Tai Chi, Chi Gong und Chai Tee -
das hat außer mir sonst keine.
Versteckte Aggression
atme ich ganz einfach weg
– und sage „Om“.

Ich mache wirklich alles richtig.
Warum bin ich immer noch nicht glücklich?
Eins könnte ich noch zeitlich locker integrieren:
Gibt es Muskeln, die das Glück halten? Die muss ich trainieren.
Denn hab ich am Abend alles geschafft,
fehlt mir zum Glücklichsein die Kraft.

Ja, ich hab zum Glück einen Masterplan...

 

 

 

 

 

 


 

 

Und nachts lieg ich wach,
muss mich verstecken, mich wecken die fetten
Lebenslügen, trügerische Ziele verführen,
ich tu und mach, jage Sachen nach im Optimierungswahn.
Wann fängt mein Leben an?

 

Auf dem Grabstein steht geschrieben:
Erdrückt von ihren Lebenslügen.

 

 

Wir maximieren
jeden Gewinn, der sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringt,
und wir riskieren,
dass die Bilanz am Ende unser aller Leben nicht stimmt.

 

 

Wir arrangieren
uns in Gedanken an Vergangenes, das besser war,
und wir resignieren,
weil uns die Gegenwart dagegen nichts zu geben hat.

 

 

Und nachts lieg ich wach,
muss mich verstecken, mich wecken die fetten
Lebenslügen, trügerische Ziele verführen,
ich tu und mach, jage Sachen nach im Optimierungswahn.
Wann fängt mein Leben an?